„WIEDER EINE TRAUMGEBURT“

Geburtsbericht Priya

In der Nacht spüre ich ein paar Mal ein Ziehen im Bauch. Das können Zeichen sein, dass es bald losgeht. Im Laufe des Tages kommen diese Wellen immer mal wieder. Ich habe das Bedürfnis, dass mein Mann, meine Mutter und Saskia informiert sind. Ich mach die Haushaltstätigkeiten und stütze mich nach vorne ab um die Wellen zu veratmen. Das ist eine gute Übung. Eine Aktion steht noch auf meiner Liste: eine Tafel bauen. Ich sage meinem Mann, dass ich das machen möchte, doch nicht mehr anfange. Daraufhin meint er: „Dann kommt das Baby heute.“ Später werden die Wellen leichter und ich möchte es machen. Mein Mann verbietet es mir – zurecht.
Daraufhin entscheide ich mich mit den beiden Kindern rauszugehen und die Fahnen von den Narrenbäumen abzunehmen. Ein schönes Ritual. Ich habe den Kindern gesagt, wenn die Fasnet vorbei ist, dann kommt das Baby. Die Sonne scheint. Es ist ein schöner, milder Wintertag. Ich genieße die frische Luft. Drinnen angekommen achte ich darauf, dass die Kinder und ich genügen essen. Leckere Weckchen hat mein Mann gebacken. Mit Marmelade schmecken sie wie Berliner. Ich esse mich satt. Dann spüre ich Erschöpfung und lege mich mit Entspannungsmeditationen aufs Sofa. Ich merke wie die Wellen stärker werden und ich mich ganz darauf konzentrieren möchte. Ich nehme den Impuls nach Rückzug war. So machen es die Tiere in der Natur auch. Ich ziehe mich ins Schlafzimmer zurück und hoffe, dass die Wellen weniger werden, sodass ich die Kinder noch ins Bett bringen kann. Nun sickert es bei mir durch, dass es heute wohl tatsächlich losgeht, also richte ich mir das Bad als Geburtszimmer her (Ball, Kerzen, Softdrinks, Süßigkeiten, Handtücher, Laken, Musik). Es ist so schön wie im Wellness-Urlaub!

Mein Mann fragt in welchen Abständen die Wellen kommen und ob er Saskia anrufen soll. Das stresst mich innerlich und ich sage ihm, dass ich das nicht wisse. Ich sage ihm immer, wenn er wieder kommt wie viel Wellen ich gehabt habe, seit er das letzte Mal dagewesen ist. Er bemerkt, dass es ungefähr alle 5 Minuten der Fall ist und beschließt Saskia anzurufen. Ironisch sage ich: „Super, dann kommt Saskia, um uns zu sagen in welchen Abständen die Wellen, kommen, oder was?“ Mein Mann erwidert darauf ganz gelassen: Sie kommt jetzt einfach mal.“ Im Nachhinein bin ich sehr dankbar darüber, dass er zu diesem Zeitpunkt angerufen hat. In diesem Moment finde ich, dass ich noch nicht so weit bin.
Ich sage Saskia, dass noch kein Schleimpfropf abgegangen, die Fruchtblase noch ganz ist und die Wellen nicht allzu oft kommen, doch so oft kommen, dass ich beschlossen habe, nichts anderes zu machen. Saskia bemerkt, dass der Kopf noch nicht ins Becken gerutscht ist. Ich habe die letzten Tage bemerkt, dass der Kopf sich groß anfühlt und er auf meine Symphyse drückt. Saskia und meine Familie essen zu Abend und ich ruhe mich aus. Ich möchte, dass mein Mann die Kinder bettfein macht. „Zähne putzen brauchen sie heute nicht“, sage ich. Ich möchte, dass sie schnell schlafen. Mein Mann kann sich ganz auf die Kinder konzentrieren mit der Gewissheit, dass Saskia nach mir schaut, wenn ich sie brauche. Gerne möchte ich die Kinder ins Bett bringen. Doch bald merke ich, dass ich keinen Körperkontakt mehr ertrage und die Wellen zu intensiv werden als, dass ich mich auf die Kinder konzentrieren kann. Ich sage: „Gute Nacht. Ich brauche jetzt Ruhe, dass das Baby rauskommen kann.“ Mein Sohn ruft freudig: „Hurra, das Baby kommt heute!“. Ich antworte: „Das dauert mindestens bis morgen.“ Ich bin überzeugt davon, dass die Kinder die besondere Atmosphäre spüren und sich daher besonders kooperativ beim zu Bettgehen zeigen. Erstaunt und erleichtert über die Kooperationsbereitschaft der Kinder, ziehe ich mich ins Bad zurück. Ich veratme die Wellen auf dem Ball und möchte meine Entspannungsmeditation erst anmachen, wenn die Kinder schlafen. Doch ich merke, dass die Wellen so intensiv werden, dass ich gleich die Musik und die Wanne brauche.

Mein Mann berichtet, dass die Kinder schnell eingeschlafen sind, nachdem er gemeint hat, morgen sei das Baby da. Ich darüber verwundert und erleichtert zugleich und antworte: „Und wenn das Baby gar nicht heut kommt? Dann sind sie morgen enttäuscht.“
Zu Saskia sage ich: „Ich weiß nicht, ob du dableiben möchtest.“ Saskia meint: „Jetzt kehrt Ruhe ein. Das kann die Wehen verstärken“. Mein Mann ist gerührt: „Ich könnte schon wieder weinen.“ Er meint zu mir: „Du hast wieder diesen Gesichtsausdruck. Voll auf Oxytocin.“ Das beruhigt mich. Dann scheint ja hormonell alles gut zu laufen. In der Wanne bleiben die die Wellen intensiv. Saskia gibt mir den guten Tipp mein Becken stets in einer schrägen Position zu lassen. So kann das Köpfchen ins Becken rutschen. Ich habe das Gefühl, dass dies die Wellen und den Geburtsverlauf beschleunigen. Ich lass es mir in der Wanne gut gehen, entspanne mich und trinke Wasser, Tee, Limo und alkoholfreies Bier. Ich genieße das schummrige Licht und pendle zwischen Wanne und WC. Einen Spuckeimer nehme ich dankend entgegen. Den Geburtsort empfinde ich als ein sehr geborgenes Plätzchen, wie eine kleine Insel am Rande der WIB. Ich öffne das Fenster. Draußen ist es dunkel, still und eine angenehme Kälte breitet sich aus. Ich genieße die Fürsorge von Saskia und meinem Mann. Am meisten genieße ich die Ruhe. Zwischen 19.30 und 21.00 wird das Genießen weniger und die Geburt erfordert all meine Aufmerksamkeit und Kraft. Ich freue mich über die Unterstützung meines Mannes der mir aufbauende Worte sagt und mich streichelt, immer wenn er den Raum betritt. Die meiste Zeit möchte ich alleine sein. Die Wellen sind stark und ich probiere verschiedene Position aus. Im Liegen ist es nicht auszuhalten. Ich beuge mich, ein Bein kniend, ein Bein seitlich ausgestreckt über den Beckenrand. Ich möchte die Wellen bejaen. Jede Welle bringt mich näher zu meinem Kind. Ich betrachte meinen großen Bauch und spüre wie das Baby strampelt. „Wir schaffen das“, sage ich innerlich zu ihm. Ich möchte zu jeder Welle ja sagen, doch beobachte ich wie ich innerlich leicht zu fluchen beginne. Die Entspannungsmeditation hilft mir positiv zu bleiben. Ich bemerke, wie ich schwer atmen kann. Ein Gefühl von Angst und Ohnmacht überkommt mich. Das ist ganz klar die Übergangsphase. Dies ist mir zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht bewusst. Ich möchte still sein und mich auf meine Atmung konzentrieren. Doch kann ich nun nicht anders als tiefe Laute von mir zu geben. Geburten haben etwas animalisches. Ich merke, wie ich manchmal nach einer Welle hechle, wie ein Hund oder die Zunge rausstrecke. Immerhin ist dann der Unterkiefer locker.

Ich bin nicht mehr im Körper, sondern im Kopf: „Ich kann nicht mehr! Vielleicht bin ich zu alt für so eine Geburt. Was mach ich nur hier? Nie wieder!!! Ich schaff das nicht. Das war beim letzten Mal viel einfacher (3 cm weniger KU, wie sich im Nachhinein rausstellen wird). Ich darf doch jetzt noch nicht pressen. Hilfe ich verkrampfe. Ich muss atmen und locker bleiben. Ich brauch jetzt Saskia, damit sie mir sagt, ob ich pressen darf.“ Große Dankbarkeit empfinde ich in diesem Moment, dass Saskia im Haus ist. Claudio kommt gerade rein als ich rufen möchte. „Saskia soll kommen“, sage ich. Saskia meint zu mir ich soll selbst schauen, ob ich das Köpfchen spüre. Ich bin gerade nicht die starke Frau, die ich gerne während der Geburt bin. Ich spüre zaghaft, ob ich das Köpfchen fühlen kann, spür es nicht gleich und resigniere. Saskia bestärkt mich: „Ich glaube du kannst das Schieben nicht zurückhalten. Das ist bestimmt richtig.“ Ich zweifle und bestehe darauf, dass sie kontrolliert, ob der Muttermund ganz offen ist. Es dauert für mich sehr lange bis ich höre: „Ja, du darfst jetzt mitschieben.“ Immer noch bin ich am Zweifeln und wieder gehen mir viele Gedanken durch den Kopf: „Nie wieder eine Geburt! Wie hat das meine Oma überstanden? Meine arme Mutter! Teenage-Mütter. Die mutigen Frauen im Australischen Outback, die Alleingeburten machen. Was ist das für ein fordernder Beruf als Hebamme!“

Ich frage mich wie lange diese Übergangsphase geht. Denn gerade jetzt hat es sich sehr lange angefühlt und ich glaube es ist in Wirklichkeit relativ kurz. Nun entscheide ich mich mein Baby, welches ich „Brummerle“ nenne, bewusst rauszuschieben. Ich bin wieder in meiner Kraft und habe das Gefühl, dass ich aufs Klo muss. Dort platzt die Fruchtblase. Saskia merkt es sofort und sagt mit strengem Ton: „So, Tara, jetzt kommst du bitte vom Klo runter!“ Ich begebe mich in der Badewanne in der Vierfüßlerstand und schiebe mit jeder Welle mit. Ich höre die lobenden Worte von Saskia und Claudio: „Tara, du machst das wunderbar!“ Es fühlt sich in meinem Körper nach einem Vulkanausbruch an. Ich zittere innerlich und atme tief nach unten aus. Ich spüre eine große Kraft in meinem Körper. Saskia sagt ich soll die Wellenpausen nutzen, um mich zu entspannen. Dann spüre ich das Brennen und die Dehnung, bevor das Köpfchen geboren wird. Es geht alles sehr schnell. Das Köpfchen bahnt sich an. Saskia eilt hinaus, um meinen Mann zu holen, der Silke aufmacht und nach den Kindern schaut. Ich bin ganz in meinem Körper. Nur ein Gedanke kommt mir in den Sinn: „Ach ja, da kommt ja ein Baby! Darum geht es hier ja!“ Ich atme das Köpfchen bewusst langsam heraus und mach Pause. Saskia sagt: „Du darfst weiterschieben.“ Ich spüre, wie die eine Schulter und dann die andere geboren wird. „Super!“, sagt mein Mann. Innerhalb von 10 Minuten ist das Baby geboren. Alle Anstrengungen sind vorbei. Das waren sehr intensive und auch schmerzhafte 1 ½ Stunden. Die Schmerzen waren allerdings mit der Entspannungsmeditation auszuhalten. Ich war ihnen nicht ausgeliefert. Saskia überreicht mir das Baby. Nun beginnt es zu schreien und beruhigt sich wieder. Alles hat sich für dieses engelhafte Wesen gelohnt. Mein Mann und ich küssen uns und sind zu Tränen gerührt. Unsere, nun große Tochter, weint und mein Mann holt sie auf dem Arm dazu. Sie beobachtet das Geschehen verschlafen – Mama, Baby, Wanne, Saskia und noch eine Frau...So viel Trubel mitten in der Nacht. Saskia sagt zu ihr: „Jetzt bist du eine große Schwester.“ Meine Tochter erwidert: „Jetzt komme ich in den Kindi.“ Ich bin von dem Geschehen der Art überwältigt, dass ich nur das Baby anschauen kann. Die Nabelschnur pulsiert stark. Nach Minuten der Freude, fragen wir uns, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Ich sage: „Egal, Hauptsache draußen!“ Wir sehen das es ein Mädchen ist. Unser Baby ist da. So lange haben wir auf dieses Baby gewartet. Alles ist vorbereitet. Alles ist so gekommen, wie es geplant war. Das war wieder eine Traumgeburt! Wir sind sehr dankbar darüber, ein gesundes Baby empfangen zu dürfen.

Das Baby ist sauber und rosig. Kein bisschen Käseschmiere ist mehr da. Sie sieht aus wie direkt vom Himmel geflogen. Kein Tröpfchen Blut ist geflossen. Auch die Plazenta wird wenige Minuten später zur Überraschung von Saskia ohne Blut geboren. Ich möchte, dass das Baby noch nicht abgenabelt wird, und wir begeben uns mit Baby und Plazenta nach unten ins Wohnzimmer, wo mein Mann ein Feuer gemacht hat und Saskia mir ein schönes Plätzchen gerichtet hat. Das Baby wird mit warmen Handtüchern versorgt. Ich zittere vor Erschöpfung und bekomme Limo und alkoholfreies Bier und Kekse. Lecker nach so einem Marathon! Ich nehme Silke und Saskia wie zwei guten Feen war, die sich um alles kümmern. Auch mein Mann ist eine gute Fee. Das Baby wird mit warmen Handtüchern versorgt und trinkt schon. Ich spucke aufgrund der starken Nachwehen. Saskia empfiehlt mir Ibuprufen, welches ich dann nach anfänglichem Zögern auch nehme, als mir schon wieder vor Schmerzen schlecht wird. Meine große Tochter döst friedlich auf dem Sofa. Leider fiebert sie seit gestern. Wir hatten in der vorherigen Nacht bereits eine turbulente Nacht. Als ich höre, dass der KU 36 cm ist, fühle ich mich bestätigt, dass das Baby sich nach einem „Brummerle“ angefühlt hat. Daher kam auch die Intensität des Scherzes, den ich diesmal kaum weg atmen konnte. Gott sei Dank habe ich keine Verletzung! Das war eine intensive, kurze und wunderbare Geburt. Besser hätte es nicht laufen können. Wir danken Saskia für ihre Unterstützung und verabschieden uns. Danach sortieren wir uns und gehen zufrieden schlafen. Wenn das Leben immer so wäre! So viel Oxytocin – Liebe – Zauber- Familie- Zusammenhalt- Gesundheit- Dankbarkeit!
So schön kann eine Geburt zu Hause im Kreise der Familie sein.

Danke Saskia! Du hast diese traumhafte Hausgeburt möglich gemacht! Wir haben uns bei dir in sicheren Händen gefühlt!