unser kleines Sternchen hatte wohl nicht genug Kraft um bei uns zu bleiben…

…als wir am 15.08.2019 einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen gehalten haben, waren wir überglücklich… Ich ging in der 7. Woche zum Frauenarzt und habe direkt das kleine Herzchen schlagen gesehen.
Die nächsten 3 Wochen verliefen total normal…
Bis ich am 20.09.2019 morgens um 06:30 Uhr ganz leichte Blutung bekommen habe…
Zuerst habe ich mich selbst beruhigt und zu mir gesagt, dass eine leichte Blutung in der 10. Woche nicht zwingend negative Auswirkungen haben muss… Ich habe mich zusammengerissen und meine beiden großen Jungs zur Schule gefahren. Danach habe ich unseren kleinen L. schlafen gelegt und bin danach nochmals in Ruhe auf die Toilette.
Die Blutung wurde stärker. Somit habe ich beim Frauenarzt angerufen, der zu mir sagte, dass es morgens terminlich schwierig ist, ich solle doch lieber mittags kommen.
Ich lies mich kurzfristig „abwimmeln“ und dachte „mach Dich nicht verrückt“… Nach 1 Stunde war die Blutung immer noch da und mein Bauchgefühl sagte, „da stimmt was nicht, geh zum Arzt – sofort“. Also rief ich nochmals beim Frauenarzt an und bestand darauf, dass ich sofort kommen darf! Meine Ansage kam leider nicht sehr gut an… egal. Ich bekam einen Termin und bin direkt los gefahren. Ich wusste schon unterwegs – unser kleines Sternchen hatte wohl nicht genug Kraft um bei uns zu bleiben… Beim Frauenarzt musste ich leider eine Stunde warten… Dann die Gewissheit – keine Herztöne mehr. Kein weiterer Wachstum seit der 8. Woche!
DAS war soooo schmerzhaft! Es tat WEH – so weh, dass ich wie gelähmt war. Neben mir stand unser kleiner L. in seinem Kinderwagen und lächelte mich an – er wusste ja nicht, dass sein Geschwisterchen zurück in Himmel reisen muss. Aber das Lächeln von L. hat mir genau in dieser Sekunde unfassbar viel KRAFT gegeben… Drei gesunde Kinder! WAS FÜR EIN WUNDER !!!!!!! Und somit hieß es für mich – aufstehen, weitergehen und einen Weg suchen, am besten mit der Trauer umzugehen…
Aber soweit war ich noch lange nicht – der Frauenarzt hat mir direkt eine Überweisung fürs Krankenhaus in die Hand gedrückt, ein paar rührende Worte gesprochen und mich verabschiedet. Tja da saß ich nun im Auto und wusste nicht mehr wo „rechts und links ist“ – ich war absolut NICHT auf diese Situation vorbereitet! Ich stehe absolut mit beiden Beinen felsenfest im Leben, habe schon einiges erlebt und verarbeitet – aber darauf war ich nicht vorbereitet – obwohl ich weiß, dass es ein natürlicher Vorgang ist und zu einer Schwangerschaft dazu gehört…
Erstmal musste oder sagen wir DURFTE ich meine großen von der Schule abholen und ich war stark! Ich schöpfte Kraft von den lachenden Gesichtern meiner drei Jungs!!! Mein Mann kam direkt um 12 Uhr von der Arbeit nach Hause und ich fuhr wie in Trance ins Krankenhaus – alleine. Papa hat zu Hause alles übernommen. Im Krankenhaus angekommen musste ich erstmal warten bis ich mich anmelden konnte – anmelden um unser totes Kind aus dem Bauch heraus zu holen, heraus zu „saugen“ – eine wahnsinnig furchtbare Vorstellung! Man sitzt in der Gynäkologischen Ambulanz und weiß, dass man gerade mal ein paar Stunden später das Krankenhaus mit „leerem Bauch“ verlässt.
Als ich alle Formalitäten erledigt hatte, OP Gespräch ect. wurde mir eiskalt mitgeteilt „Frau W., keine Sorge – das geht schnell – dann können Sie wieder nach Hause“... DAS hat gesessen und ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich sagte zu der Frau, dass das nicht die Worte waren, die eine Frau hören möchte, die gerade erfahren hat, dass sie ihr Kind verloren hat! Aber ich blieb stark und ging den Weg weiter – immer noch wie in Trance. Völlig vernebelte Wahrnehmung.
Nach langem hin und her „durfte“ ich dann mein Bett/Zimmer beziehen und bekam das OP-Hemd angezogen und es wurde mir mitgeteilt, dass ich abgeholt werde, wenn ich dran bin. Es könnte aber bis in den Abend hinein dauern. Hmmm alles schön und gut – aber ich hab ein Baby zu Hause welches mich schnellstmöglich braucht! Mir wurde nicht mitgeteilt, dass ich auch getrost nach Hause gehen kann und die Natur alles von alleine regelt! Es hat mir auch niemand mitgeteilt, dass ich in Ruhe nach Hause gehen kann und die Hebamme meines VERTRAUENS anrufen kann und mich in Ihre Hände begeben kann. Nun gut – man lernt NIE aus!!!
So lag ich in diesem kahlen Zimmer und vermisste meine Familie, meine Kinder und hatte Angst davor was nun auf mich zukommt. Eine OP. Eine „Ausschabung“ – so ein Mist! Und auf einmal sagte mein Körper – hey, wir müssen schnell auf Toilette… Ich lief also in meinem OP Kleidchen auf die Toilette und bekam auf ein Schlag 3 heftige Wehen… keiner war da… keiner sagte mir, dass das kommen könnte! Ich stand mitten im Raum und habe mein Kind in meine Hand geboren! So stand ich dann mit meinem Baby, dem Mutterkuchen und alles was dazu gehört in meinen Händen liegend und dachte – WAS war das jetzt??? Ich dachte „soll ich jemandem klingeln?“ Nein – ich genieße den Moment ganz für mich alleine… ich dachte „sicherlich nehmen sie mir dann mein Kind weg“ – „soll ich es einpacken?“ „Darf ich das?“ hmmmm…. Ich holte mit blutigen Händen schnell mein Handy aus der Tasche und machte wenigstens Erinnerungsfotos… ich habe mit dem kleinen Sternchen gesprochen, hab „Hallo“ gesagt und zeitgleich habe ich mich verabschiedet! Ich sagte, dass wir uns bald wieder sehen!
Auf einmal ging die Tür auf und eine Stimme sagte: „Frau W., sie sind jetzt dran“ – wie sich das anhört! Furchtbar! …nun denn… die Krankenschwester hat natürlich blöd geschaut, als ich da stand und die komplette Geburt in den Händen hielt! Ich war ja selbst völlig überwältigt und immer noch total „benommen“… Dennoch war absolut klar – diese so zu sagen natürliche Geburt war sooooooo wichtig! Das war reine Trauer-Bewältigung! Dann ging alles ganz schnell. Das kleine Sternchen in eine Schale rein, alles mitnehmen und Tschüß.
Auf einmal war ich wieder alleine. Ganz alleine. Bauch leer und Baby weg. Direkt danach kam die Ärztin und sagte „Frau W., wir empfehlen trotzdem eine Ausschabung“ Tja, was mach ich jetzt. Ich willigte ein – unwissend. Aber gut, die OP ging wie mir ja bereits mitgeteilt wurde – sehr schnell. Als ich aufgewacht bin war alles vorbei! Es war mir aber alles egal – denn ich durfte wenigstens die Geburt selbst und im Wachzustand miterleben!!! Das war wie ein Geschenk Gottes! Daran sah ich wieder, dass mein Körper so unfassbar selbstgesteuert ist und sich dagegen gewehrt hat, dass unser Baby von fremden Leuten unter Vollnarkose geholt wird. Aber machen wir uns nichts vor – es ist eine „kleine Geburt“ – und somit mit Schmerzen, Nachwehen, Blutung und Hormon-Chaos verbunden!!!
Papa und L. sind in der Zwischenzeit gekommen und standen direkt vor der Türe als ich aufgewacht bin – das war sehr sehr schön! Um 22Uhr durfte ich dann endlich nach Hause! Mit leerem Bauch und ohne Baby im Arm – das war sehr schmerzhaft. Aber ich sammelte Kraft in dem ich mit schlafendem L. im Arm das Krankenhaus verlassen habe! Er hat den Schmerz definitiv geheilt! Ich war sehr müde…
Am nächsten Tag konnte ich erstmal in Ruhe alles setzen lassen – bewusst, was alles passiert ist und dass unser Sternchen nun nicht mehr da ist, war es mir irgendwie noch nicht… Ich war aber sehr sehr sauer über mich selbst, dass ich unser Sternchen nicht mitgenommen habe! Ich habe mir Vorwürfe gemacht, nicht auf mein Bauchgefühl gehört zu haben, als ich dachte „pack es schnell ein“ – ich hatte aber Angst, dass das Gesetzeswidrig ist – vielleicht darf ich das gar nicht. Aber ich höre eigentlich IMMER auf mein Bauchgefühl! Es trügt mich selten! Nun, was mach ich nun… In Trauer und Vorwürfe verfallen bringt mir nichts – bringt meiner Familie nichts. Ich möchte stark sein, meine Familie braucht mich – meine Kinder brauchen mich! Also habe ich mir einen Plan gemacht.
Als erstes habe ich meine Hebamme S. getroffen und mit ihr über alles geredet. Sie hat mir ausführlich erklärt, dass ich schon viel früher Hebammenhilfe in Anspruch hätte nehmen können!!! Sprich ich hätte mir im Grunde alles ersparen können und erstmal abwarten können… Manche Frauen warten zu Hause in Ruhe und in gewohnter Umgebung ab, bis die natürliche Geburt einsetzt. Das sollte aber jeder für sich selbst entscheiden und wissen was gut für ihn ist… In der Hand hielt ich den Flyer vom Krankenhaus „Sammel-Bestattung“ – allein das Wort – schrecklich! Eine tolle Sache vom Krankenhaus… Denn Saskia erklärte mir, dass das ein positiver Wandel der Zeit ist, denn früher wurden Babys unter einem Geburtsgewicht von 500Gramm nicht sehr wertvoll beachtet worden – oder wie soll man es sagen… Sie wurden nicht bestattet, sondern …….. wer weiß was mit den Embryos passiert ist… schrecklich… aber heutzutage gibt es die Sammel-Bestattung 2 mal im Jahr.
Aber nicht für mich – nein, das ist für mich undenkbar.
Da saß ich nun… Ich wollte unbedingt unser Sternchen holen und bei uns haben – bei uns bestatten. Also sprach ich mit Hebamme Saskia, habe mir alle möglichen Gesetzesauszüge durchgelesen und fand heraus, dass wir als Eltern frei entscheiden dürfen was mit dem Embryo geschieht – solange der Embryo unter 500Gramm hat. Gesagt getan – gleich montags rief ich im Krankenhaus an und wollte in Erfahrung bringen auf welchem Weg ich unsern Sternchen holen kann. Nachdem ich 3mal weitergeleitet wurde und die Leute mich behandelt haben als würde ich planen eine Bank zu überfallen, kam ich in der Pathologie heraus. Dort wurde mir gnadenlos gesagt: „Frau W. was wollen Sie denn da abholen – was glauben Sie was davon „übrig ist“……… und da war er wieder, dieser Schmerz. Ich sagte höflich aber bestimmt: „Ich hoffe für Sie, dass Sie noch nie eine Fehlgeburt erleiden mussten – und jetzt überlegen Sie bitte mal, wie Sie weiterhin mit mir umgehen werden.“ – und siehe da, die Frau wurde menschlich und sagte: „Frau W. , wir verstehen Sie und Ihre Trauer – Sie können sich am Mittwoch nochmals melden. Aber ohne ein Bestattungsunternehmen können wir Ihnen Ihr Baby nicht übergeben – das muss von einem Bestattungsunternehmen abgeholt werden“.
Ich willigte der Aussage erstmal ein und wusste, dass ich das so nicht stehen lassen werde – ABER ich musste mir ja wieder erstmal die nötige Sicherheit/die nötigen Infos einholen, um dann mittwochs selbstbewusst und mit Wissen nochmals anzurufen.
Mittwochs rief ich gleich morgens wieder an – dieses Mal direkt bei der zuständigen Ansprechpartnerin in der Pathologie. Ich habe direkt selbstsicher gesagt, dass ich nun unseren Embryo abholen werde und sie mir doch bitte mitteilen soll, wann es zeitlich passend wäre? Sie fragte mich, ob das jetzt mein Ernst sei und was ich dann damit machen möchte?“ Ich sagte, dass das ganz allein unsere Angelegenheit sei und wir frei entscheiden dürfen was mit unserem Sternchen passiert, denn immerhin haben wir die 500Gramm Grenze bei weitem nicht überschritten und ich sagte gleich hinzu, dass ich weiß, dass von dem Embryo nicht viel „übrig“ ist, denn ich hatte es immerhin selbst in der Hand gehalten.“ Sie merkte, dass ich fest entschlossen war und gab mir die Möglichkeit bis 16Uhr in der Pathologie zu erscheinen, meinen Personalausweis mitzubringen und dann mein Baby zu bekommen.
Als L. von seinem Mittagsschlaf aufgewacht ist, sind wir direkt losgefahren. Um 16:10Uhr sind wir in der Pathologie angekommen und mussten klingeln – ein unfassbar komisches und beklemmendes Gefühl da unten im Krankenhaus-Keller und alles dunkel. Die Frau öffnete mir die Türe und war sehr freundlich – endlich. Ich musste ein Formular ausfüllen und meinen Personalausweis vorlegen – alles ganz easy. Daraufhin bekam ich zwei kleine durchsichtige Behälter mit einer entsprechenden Flüssigkeit, die unser Sternchen „konserviert“ und dann ging ich wieder nach Hause.
Wir haben von meiner Freundin eine kleine Holzschatulle bekommen, welche wir schön hergerichtet haben und unser Sternchen nun dort einen Platz gefunden hat. Wir wollen es im Garten vergraben und einen Baum darauf pflanzen – somit sehen wir etwas im positiven Sinne wachsen… Und meiner/unserer Trauer haben wir feste Zeiten gegeben. Es flossen Tränen und der Schmerz wurde bewusst wahrgenommen – aber erst wenn die Kinder im Bett waren…
Warum schreibe ich diesen Bericht?!
Ich möchte Menschen erreichen! Menschen die unwissend sind, mit solch einem Schicksals-Schlag umzugehen. Ich möchte dazu appellieren erstmal Eure Hebamme anzurufen! Informiert Euch über die Möglichkeiten und lasst Euch zu nichts drängen! Hebammenhilfe steht Euch ab Tag des positiven Schwangerschaftstests zu und scheut Euch nicht, diese Hilfe in Anspruch zu nehmen!
Ich zünde keine Kerze an und falle in tiefe Trauer – nein – ich möchte mit unserer Geschichte etwas bewegen und etwas bewirken! Ich möchte den Frauen, den Eltern MUT machen, nicht aufhören zu kämpfen! Hört auf Euer Herz und geht den Weg auch wenn er manchmal steinig ist – es lohnt sich! Der Verlust ist zwar da und nicht zu ändern, aber es kommt darauf an aus welchem Blickwinkel wir die Dinge sehen. Der unfassbare Schmerz eine Fehlgeburt zu erleben ist für jeden gleich – doch wichtig ist wie wir damit umgehen! Lasst die Trauer zu, aber findet einen Weg raus aus der Trauer – egal wie lange ihr Zeit braucht um zu trauern…Tage, Wochen, Monate, Jahre das ist egal… – aber lasst Euch nicht entmutigen! Schöpft wieder Kraft und neuen Mut um weiterzumachen!
Wir haben in unserer Familie schon einige steinige Wege bewältigt und manche sind immer noch schwer – oder sagen wir es anders – einige Wege sind eine Herausforderung – das bleibt mit drei Kindern nicht aus – aber wir machen immer wieder etwas positives daraus! Und aus dem Verlust unseres noch sehr kleinen Sternchens habe ich entschlossen die Zeit zu nutzen und ein Fernstudium zu machen – Familien und Persönlichkeitscoaching nennt sich das! Ich möchte meine Erfahrungen, mein Wissen und meine Empathie nutzen, um anderen Familien beratend zur Seite zu stehen! Helfen wo Hilfe nötig ist – wo Eltern nicht mehr weiter wissen oder Fragen haben. Alltagssituationen bewältigen. Ordnung hinein bringen wo es scheint, als würde keiner mehr wissen wie es weitergeht.
Wir können den Wind, der uns ins Gesicht bläst nicht ändern – aber wir können die Segel anders setzen und einen neuen Weg einschlagen! Geht Euren Weg – es gibt in der Welt nur einen einzigen Weg, auf welchem niemand gehen kann außer ihr: Wohin er führt? Fragt nicht, geht ihn.