"ALS MAN MICH IN DEN ERSTEN TAGEN FRAGTE, WIE DIE GEBURT WAR, WAR MEINE ANTWORT, DASS ES DAS SCHLIMMSTE UND DAS SCHÖNSTE GEWESEN WÄRE, WAS ICH JE ERLEBT HABE"



Es war Donnerstag der 29.04.2021. Ich hatte mir fest vorgenommen, die letzte Hose für unser Baby fertig zu nähen. Gegen Mittag war dies dann auch endlich erledigt und ich habe ganz stolz ein Bild des Ergebnisses an meine Familie verschickt und geschrieben, es kann nun losgehen, ich bin fertig mit nähen. Dann war es, als hätte die kleine Maus das gehört. Denn gegen Abend lag ich mit einer Art Menstruationsschmerzen auf dem Sofa. Als wir um ca. 22:00 Uhr ins Bett sind, ging der Schleimpfropf ab. Wir haben dann entschieden, einfach zu schlafen solange es geht. Es kamen immer wieder Wehen, allerdings sehr unregelmäßig. Um 1:30 Uhr bin ich aufgewacht und konnte nicht mehr einschlafen. Ab dort hatte ich immer öfter Wehen in unregelmäßigen Abständen. Gegen morgens um 5:00 Uhr war ich mir nicht sicher, ob ich Fruchtwasser verliere. Den Eindruck hatte ich dann noch weitere zwei Male und rief deshalb um 7:20 bei Saskia an, um ihr die Situation zu schildern. Nach kurzer Rücksprache sollte ich regelmäßig Temperatur messen und die Lage beobachten.

Ab ca. 8:30 Uhr hatte ich Wehen mit relativ regelmäßigen Abständen von 10-12 Minuten. Mein Mann Nices hat an diesem Morgen noch von zuhause aus gearbeitet. Ich lag den Morgen über auf dem Sofa und versuchte nochmal zu schlafen, was mir aber leider nicht gelang. Mit Saskia hatten wir vereinbart, wir halten um ca. 17:00/18:00 Uhr nochmal Rücksprache, wie es weitergeht. Der Mittag verlief ruhig, die Wehenabstände wurden kürzer. Nach dem Telefonat mit Saskia um 17:15 Uhr entschieden wir, dass sie noch nicht kommen muss und wir noch abwarten. Währenddessen hat Nices ein Tensgerät auf meinem Rücken angebracht. Dieses sollte den Schmerz der Wehe umlenken, das hat auch gut geklappt. Ich glaube, ich habe die Wehen dadurch kürzer empfunden, als sie tatsächlich waren.

Zum Abendessen war meine Mama noch da. Nach dem Abendessen nahm die Intensität der Wehen zu und die Abstände wurden kürzer. Wir beschlossen um 18:45 Uhr Saskia anzurufen, damit sie kommt. Immer wieder sagte ich zu Nices, dass ich einfach total froh bin, dass Saskia nachher kommt und wir nicht ins Krankenhaus fahren müssen. Ich konnte mich den ganzen Tag auf unserem Sofa entspannen und fühlte mich einfach wohl. Als Saskia da war, waren meine Wehen noch gut aushaltbar aber deutlich stärker als den Tag über. Wir sprachen nochmal darüber, ob es heute morgen wirklich Fruchtwasser gewesen sein könnte und kamen aber überein, dass die Flüssigkeit höchstwahrscheinlich zum Schleimpfropf gehört hat. 

Die Wehen wurden intensiver und für mich trotz Tensgerät schon relativ schmerzhaft. Saskia schaute sich den Muttermund an, sie meinte 1-2 cm. Ich war ehrlich gesagt kurz schockiert. Ich war schon so lange wach und hatte gefühlt schon so ewig Wehen... dazu kam, dass ich mit Beginn fast jeder Wehe einen Würgereiz empfand und über dem Eimer hing. Für mich war es deshalb in dieser Situation sehr schwer mich auf meine Atmung zu konzentrieren... übergeben musste ich mich allerdings zu dem Zeitpunkt noch nicht. Das war der erste kurze Moment in dem ich dachte, das kann alles nicht sein, wie soll ich das schaffen. 

Wir blieben noch kurz auf dem Sofa und entschieden uns dann in die Badewanne zu wechseln. Ich hoffte bei einem Umgebungswechsel wieder besser mit den Wehen umgehen zu können. Nach wie vor war ich einfach nur dankbar, dass wir bei uns zuhause waren. Wir nahmen das Tensgerät ab und Nices bereitete das Badewasser vor. Der Einstieg in die Wanne war für mich die totale Erleichterung, das warme Wasser half mir mich zu entspannen. Es lief alles einige Zeit gut und Nices veratmete die Wehen mit mir gemeinsam. Das half mir extrem mich auf die Atmung und mich selbst zu konzentrieren und nicht auf den Schmerz. Irgendwann kam dann allerdings der Punkt, an dem ich dachte es geht nichts mehr und ich wirklich verzweifelt war. Saskia schaute nach dem Muttermund - 2-3 cm -. Das war kein richtiger Vorschritt und motivierte mich leider wenig... Saskia schlug vor, eine Meditation zu machen, und bereitete eine „Heisse 7“ (Schüsslersalze) zu. Mit ihrer ruhigen Art, konnte sie meine aufkommende Panik, die folgenden Stunden nicht zu überstehen, stoppen. Sie fragte mich noch, ob ich lieber ins Krankenhaus gehen möchte. Das kam für mich allerdings überhaupt nicht in Frage. Nach gut zwei Stunden habe ich die Wanne wieder verlassen. Beim Aussteigen überkam mich wieder der Würgereiz und diesmal musste ich mich tatsächlich übergeben, was eine große Erleichterung war. 

Wir zogen dann wieder aufs Sofa um und ich veratmete etliche Wehen liegend. Nices atmete immer mit mir, was ich als riesen Unterstützung empfand. Die Wehen waren zu diesem Zeitpunkt länger als zuvor und meinem Empfingen nach schmerzhaft. Ich hatte immer das Gefühl, dass der Druck nach unten zunahm. Der Muttermund war nun bei 6-7 cm. Diese Nachricht motivierte mich extrem und ich dachte, endlich geht was. Dann ging in meiner Erinnerung alles relativ schnell. Eigentlich wollten wir noch unsere Fotografin dazu holen. In dem Moment wollte ich das aber absolut nicht und wir entschieden uns, sie nicht anzurufen. Für mich war jeder weitere Mensch im Raum unvorstellbar. Danach verschwimmt meine Erinnerung etwas. 

Saskia meinte irgendwann, dass sie Silke Bescheid gibt und sie dazu kommen würde. Gleichzeitig baute sie den Gebärhocker auf, den ich mir für die Geburt gewünscht hatte. Das war für mich das Zeichen, endlich geht es in die heiße Phase. Ich setzte mich auf den Gebärhocker, Nices saß auf dem Sofa hinter mir. Nach einigen Presswehen platzte die Fruchtblase. Ich war total erschrocken und im gleichen Moment erleichtert, meinem Baby einen Schritt näher zu sein. Kurze Zeit später wurden die Herztöne unseres Babys auf einmal schlechter, deshalb sagte Saskia ich sollte mich in Seitenlage auf den Boden legen, die Herztöne sind dann direkt wieder gut gewesen. Ab diesem Zeitpunkt ist meine Erinnerung total verschwommen bzw. für den letzten Teil der Geburt fehlt mir komplett das Zeitgefühl. Ich weiß noch, dass Silke kam. Sie stellte sich vor und war mir direkt sehr sympathisch. Ich drehte mich einige Male von einer auf die andere Seite und gab dem Drang der Presswehen nach. Ein paar Presswehen haben wir gemeinsam veratmet ohne zu pressen, um der kleinen Maus nochmals eine Verschnaufpause zu gönnen, weil ihre Herztöne nicht immer ganz optimal waren. Ich kann mich noch erinnern, dass ich vom atmen extremen Durst bekommen hatte und mein Glas mir viel zu schwer und unhandlich war. Die Flasche, die ich extra bereit gestellt hatte war aber irgendwie in dem Moment nicht greifbar.

Ich glaube die Phase der Presswehen ging insgesamt 2 Stunden. Mir kam das allerdings nicht so vor. Am Ende sagte Saskia ich könnte jetzt in die tiefe Hocke und so würden wir es nochmal probieren. Ich fand die Idee super, ich denke, dass es in dieser Position nicht wirklich Vorwärts ging, denn irgendwann sagte Silke, wenn nach zwei weiteren Presswehen nichts geht, müsste man schneiden. Mir war das in diesem Moment völlig egal, ob geschnitten wird oder nicht, Hauptsache unser Kind kommt jetzt. Nices saß die ganze Zeit hinter mir und stärkte mir den Rücken. Mit der nächsten Presswehe merkte ich, da kommt der Kopf. Nices sagte noch, da kommen schwarze Locken. Ich war kurz verwundert. Dass das Baby Haare haben könnte, hatte ich gar nicht in Erwägung gezogen. Mit einer weiteren Presswehe merkte ich, dass der Kopf kam und ich dachte nur, das Baby muss jetzt raus und gab nochmal alles und so kam unsere Helena Luise um 3:18 Uhr in unserem Wohnzimmer, vor unserem Sofa zur Welt. Mit der darauffolgenden Wehe kam direkt die Plazenta. Danach waren erstmal der ganze Schmerz und alle Anstrengung vergessen. Wir waren wie in einer Blase und alles drehte sich nur noch um die kleine Maus. Ich bekam sie direkt auf den Bauch und wir haben uns zu dritt auf unser Sofa gekuschelt. Das einzige, was dann noch kam und weniger schön war, war das Nähen der Geburtsverletzungen. Das habe ich im Nachhinein fast schlimmer in Erinnerung als die Geburt selbst.

Der Tag danach fühlte sich ein bisschen an, wie nach einem Festival:

Pures Glück, totale Euphorie, völlig übermüdet, ich stinke, es tut alles weh, keine Stimme mehr vom Schreien. Und dazu die neue Aufgabe dem Mini-Menschen ein glückliches Zuhause zu schenken💕 

Als man mich in den ersten Tagen fragte, wie die Geburt war, war meine Antwort, dass es das Schlimmste und das Schönste gewesen wäre, was ich je erlebt habe. Es wäre gelogen zu sagen, die Geburt war nicht schmerzhaft, aber ich habe mich bei uns zuhause zu jedem Zeitpunkt wohl gefühlt und Nices war mir eine wahnsinnig große Unterstützung und wir waren ein super Team. Die Sorge um die „Sauerei“ war auch völlig unbegründet, man hätte schon kurz darauf nicht mehr vermuten können, dass in unserem Wohnzimmer eine Geburt stattgefunden hat.

Für uns war die Hausgeburt genau das richtige und wir sind sehr glücklich, dass alles geklappt hat, wie wir es uns vorgestellt haben. Wir würden uns jederzeit wieder für eine Hausgeburt mit Saskia und Silke entscheiden!

Ronja, Nices & Helena