„ICH FAHRE DOCH AUCH NICHT MIT DER KUTSCHE INS GESCHÄFT, WENN IN DER GARAGE EIN AUTO STEHT…“

...Das war Kais Reaktion auf meine Idee mit der Hausgeburt. „So etwas Rückschrittliches. Warum eine Hausgeburt, wenn keine 15min entfernt ein modernes Krankenhaus ist, mit dem wir bei der ersten Geburt doch im Großen und Ganzen zufrieden waren?“. Ganz einfach. Bei Marlenes Geburt gab es noch kein Corona und wir hatten viel Glück. Glück, dass in dieser Nacht nicht viel los war auf der Entbindungsstation. Glück, dass wir eine nette Hebamme erwischt haben und Glück, dass eine sympathische Ärztin in jener Nacht Dienst hatte, um mich zu nähen. Bei der Geburt unserer zweiten Tochter wollte ich mich aber nicht auf das Glück verlassen.
Es war zwar etwas Überredungskunst notwendig aber letztendlich hat sich Kai dann doch zu einem unverbindlichen Info-und Kennenlerngespräch mit Saskia bereit erklärt. Danach musste er zwar zugeben, dass sie einen wirklich sympathischen und sehr kompetenten Eindruck gemacht hat, aber mit dem Gedanken, unsere Tochter ohne Arzt und OP-Saal in der Nähe auf die Welt zu bringen, konnte er sich immer noch nicht anfreunden. Ich hingegen war mir absolut sicher, dass ich nicht ins Krankenhaus möchte und dass Saskia genau die richtige Hebamme für uns ist. Also habe ich nicht locker gelassen, bis Kai endlich zähneknirschend sein OK zu einer Hausgeburt gegeben hat.

Bis zum errechneten Geburtstermin spürte ich keine einzige Wehe und war schon sehr enttäuscht. Doch in der Nacht wachte ich dann tatsächlich ein paarmal auf und spürte ein leichtes Ziehen im Unterleib. Am Morgen rief ich gleich bei Saskia an, um ihr zu sagen, dass sich vielleicht doch etwas tut. Der Tag verging und ich spürte zwar immer wieder dieses Ziehen, ähnlich wie Periodenschmerzen, aber mehr auch nicht. Ein großer Abendspaziergang mit Hund und Kinderwagen, zu Abend essen, Marlene fürs Bett richten, alles kein Problem. Doch als ich Marlene gegen 20.30 Uhr ins Bett brachte, war es, als legte jemand einen Schalter um. Aus dem harmlosen Ziehen wurden plötzlich unangenehme Wehen. Ich beschloss, erst einmal in die Badewanne zu liegen. Das Entspannungsbad war allerdings alles andere als entspannend. Die Wehen wurden immer stärker und kamen jetzt schon im Fünfminutentakt. Wieder aus der Wanne draußen, rief ich Saskia an, um ihr zu sagen, das die Wehen jetzt regelmäßig kamen. Da ich mich zwischen den Wehen aber noch fit fühlte und ich mir auch nicht vorstellen konnte, dass das Baby so schnell kommen würde, sagte ich zu Saskia, dass sie noch nicht kommen muss und ich mich in einer halben Stunde nochmal melden würde. 10 Minuten später waren die Wehen dann aber schon so heftig, dass ich gar nicht mehr telefonieren wollte. Also rief Kai, der in der Zwischenzeit schon das Sofa und den Teppich mit Folie und Laken abgedeckt hatte, jetzt bei Saskia an und bat sie, doch gleich los zu fahren.
Ich veratmete die nächsten Wehen abwechselnd vor dem Sofa und auf der Toilette, bis ich irgendwann gar nicht mehr vom Sofa weg kam. Bei Saskias Ankunft, kurz nach halb elf, hing ich schon auf dem Boden kniend über der Sofalehne und kämpfte mich von einer Wehe zur Nächsten. Saskia tastete meinen Bauch ab und schnell war klar, dass das Köpfchen schon so tief im Becken lag, dass wir es bald geschafft haben müssten. Nachdem Saskia noch die Herztöne abgehört und ihre Kollegin Silke angerufen hatte, ging alles ganz schnell. Nach ein paar sehr schmerzhaften Wehen direkt hintereinander platzte um 23.00 Uhr die Fruchtblase und ich konnte mit einer Hand schon die Haare am Köpfchen fühlen. Kurz darauf, um 23.08 Uhr, kam dann mit der letzten Wehe unsere Tochter auf die Welt. Noch etwas zittrig aber überglücklich und stolz konnte ich sie endlich in den Arm nehmen.
Keine 10 Minuten später war ohne große Anstrengung auch die Plazenta geboren und Kai konnte die Nabelschnur durchtrennen. Saskia begann gleich mit den Vorbereitungen für die Naht. Da Charlotte mit einer Hand an der Backe heraus kam, gab es da einiges für sie zu tun. Ich hatte während der gesamten Zeit, in der Saskia nähte, mein meckerndes Baby auf der Brust liegen und war daher bestens abgelenkt. Silke half mir zwischenzeitlich schon einmal Charlotte anzulegen. Nachdem ich versorgt war, machte Saskia noch die U1 bei Charlotte, bevor sie sich dann um kurz vor vier Uhr von uns verabschiedete.

Im Nachhinein sind Kai und ich uns einig. Es war für uns die richtige Entscheidung, Charlotte zuhause auf die Welt zu bringen. Für Kai war diese Geburt zwar „heftiger“ als die erste, weil er zuhause näher am Geschehen war als im Krankenhaus aber auf den Luxus der eins zu eins bzw. sogar zwei zu eins Betreuung durch Saskia und Silke wollen wir auch bei einer eventuellen dritten Geburt auf keinen Fall verzichten.